Hielten Jesu Jünger den Sonntag als Ruhetag?
Einige Bibelstellen lassen mutmaßen, dass die Jünger den Sonntag als Ruhetag hielten. In Johannes 20,19 versammelten sich die Jünger nach der Auferstehung Jesu am ersten Tag der Woche (Sonntag); auch in Apostelgeschichte 20,7 hielten Paulus und die Gläubigen aus Troas eine Versammlung am Sonntag und in 1. Korinther 16,2 weist Paulus die Korinther am Sonntag Spenden für eine Geldsammlung zurück zu legen. Doch sind das tatsächlich stichhaltige Argumente für die Einhaltung des Sonntags?
Zu Johannes 20,19:
“Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!”
Hier gibt es keinen Hinweis, dass die Jünger einen Gottesdienst abhielten. Ebenfalls glaubten die Jünger zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Herr auferstanden sei und wurden deswegen später von Jesus zurechtgewiesen (Mk 16,9-14). Thomas, der nicht da war, als Jesus ihnen erschien, glaubte auch dann noch nicht (Jh 20,24.25). Die Jünger hatten große Zweifel an der Auferstehung Jesu, umso weniger werden sie wohl seine Auferstehung gefeiert haben.
Zu Apostelgeschichte 20,7:
“Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, das Brot zu brechen, predigte ihnen Paulus, und da er am nächsten Tag weiterreisen wollte, zog er die Rede hin bis Mitternacht.”
Paulus‘ Freunde waren auf dem Weg zum Schiff als Paulus redete (V. 13). Wenn am ersten Tag der Woche Ruhetag und Gottesdienst gewesen wäre, dann hätte Paulus von seinen Freunden nicht verlangt, dass sie an diesem Tag zum Schiff vorausgehen sollten, während er den Gottesdienst hielt.
Die explizite Nennung des ersten Tags der Woche mit Brotbrechen und Gottesdienst ist vielmehr der anstehenden Abreise des Paulus zu verschulden (V.7). Zudem war es ihm wohl bewusst, er würde die Gläubigen nicht wieder sehen können (Apg 20,22-25). Diese besondere Situation verdiente es, ausdrücklich erwähnt zu werden. Keinen Hinweis findet man hier jedoch für die Auffassung, dass Christen sich regelmäßig am ersten Tag der Woche statt dem siebten Tag der Woche versammelt hätten.
Das Brotbrechen hier bezieht sich möglicherweise auf ein Liebesmahl oder gemeinsames Essen, welches in der Apostelzeit eine übliche Praxis war (Apg 2,46; vgl. Judas 12). Der Ausdruck „das Brot brechen“ beschreibt nicht unbedingt das Abendmahl (vgl. Lk 22,16; gegenüber Lk 24,30.35; Apg 27,33-35).
Zu 1.Korinther 16,2:
“An jedem ersten Tag der Woche lege ein jeder von euch bei sich etwas zurück und sammle an, so viel ihm möglich ist, damit die Sammlung nicht erst dann geschieht, wenn ich komme.”
Hier sagte Paulus den Gläubigen nicht, dass sie am ersten Tag der Woche Gottesdienst halten und dabei opfern sollten. Paulus schlug vor, dass jeder am ersten Tag der Woche etwas von dem verdienten Geld der vorigen Woche (oder von den Dingen, die man gesammelt hatte) „zurücklegen“ („sparen“) sollte, damit „die Sammlung nicht erst geschieht“ wenn Paulus kommt. Diese Anweisung diente lediglich der Vereinfachung der Sammlung der Spende. Wahrscheinlich hat Paulus den ersten Tag der Woche anstelle des Sabbats vorgeschlagen, weil der Sabbat ein Tag ist, an dem man von seiner Arbeit ruhen soll. Es ist auch gut vorstellbar, dass er die Gläubigen ihre Spende am Wochenanfang (am Sonntag) zurücklegen lassen wollte, damit sie es nicht in der restlichen Woche ausgeben würden.
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