Für den Menschen gemacht: Das Geschenk des wöchentlichen Sabbats
Der wöchentliche Sabbat ist ein häufig missverstandenes Thema, zu dem es unterschiedliche und gar widersprüchliche Meinungen und Praktiken gibt.
Einige meinen, der Sabbat unterstehe dem Gesetz und sei daher für Christen nicht bindend. Diese feiern stattdessen “den Tag des Herrn”, um der Auferstehung Christi zu gedenken. Andere halten das vierte Gebot zwar für bindend, meinen aber, dass der christliche Sabbat nun am Sonntag sei.
Ein scheinbar weniger gesetzlicher Ansatz ist, an jedem siebten Tag zu ruhen, so dass prinzipiell jeder Tag nach Belieben ein selbst bestimmter Sabbat sein kann. Zu diesem Konzept des Sabbats passend fallen die wöchentlichen Gottesdienste oft mit dem offiziell geltenden Ruhetag des geopolitischen Ortes zusammen, in dem wir wohnen – für die meisten von uns ist es also der Sonntag, für arabische oder muslimische Länder der Freitag und für die in Israel lebenden Menschen standardmäßig der Samstag.
Wie sollte ein Christ, der es mit dem Wort Gottes ernst meint und versucht, Gott in allen Dingen zu gefallen, sich dazu stellen?
Von Befürwortern der “freien” Einhaltung eines Sabbats wird gern das Wort Jesu aus dem Markusevangelium zitiert (Mk 2,27) “Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.”. Aber nur wenige machen sich die Mühe, den Ausdruck “um des Menschen willen gemacht” genau zu verstehen.
Abgesehen davon, dass der Mensch in Bezug auf den Sabbat nicht durch rabbinische Auswüchse an zusätzlichen Regeln belastet und gebunden werden soll: Wissen wir wirklich, was Gott “um des Menschen willen” geschaffen hat, indem er jede Woche einen besonderen Tag für ihn ausgesondert hat?
Gesetz und Gnade
Jesu relativierende Aussage zum Sabbat besteht aus zwei Teilen: erstens, “der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht” und zweitens, “nicht der Mensch um des Sabbats willen”. Das Positive kommt zuerst, indem er den Begünstigten des Sabbats nennt, gefolgt von der Ablehnung gesetzlicher Einschränkungen.
Leider betont eine meist fehlerhafte Hermeneutik die zweite gegenüber der ersten Aussage; deshalb hört man oft: “Lass dich nicht von anderen bezüglich des Sabbats richten”, “Es ist egal, welcher Tag der Sabbat ist” und “Der Sabbat gilt nicht für Christen, wir sind frei von der Knechtschaft des Gesetzes”.
Dies geht am Ziel vorbei und untergräbt die Tatsache, dass Gott aus seiner gnädigen Vorsehung heraus den Sabbat gleich nach dem sechsten Schöpfungstag einsetzte, damit der Mensch sich erholen könne und gesegnet sei.
Die Aussage Jesu gilt also nicht nur für Christen des Neuen Testaments. Der Sabbat wurde von Anfang an zum Wohle der Menschheit eingesetzt, für die ersten Menschen bis zu den heutigen Auserwählten, denen, die eine Beziehung zu Gott haben.
Für das Volk des Bundes unter dem Gesetz war der Sabbat mit seiner Befreiung von der ägyptischen Knechtschaft verbunden:
“Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der HERR, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.” (5.Mo 5,15)
Die wöchentliche Ruhepause bot eine willkommene Erholung von der täglichen Mühsal und richtete das Volk auf seine Gemeinschaft mit seinem Schöpfer neu aus – eine Abkehr von Ägypten, eine Erinnerung an Eden.
Der Sabbat ist daher ein Gnadentag, nicht ein gesetzlicher Feiertag. Tatsächlich liegt allen Begegnungen Gottes mit den Menschen Gnade zugrunde, und wir müssen dies im Bewusstsein haben, um uns aus den ansonsten zermürbenden Statuten, Ritualen und Verordnungen des mosaischen Gesetzes einen Reim machen zu können.
Jesus hat in seiner Reaktion auf die jüdischen Gelehrten nichts Neues bezüglich des Sabbats eingeführt, sondern lediglich unverhältnismäßige Elemente ausgemerzt, die der Thora hinzugefügt worden waren und die sich gegen das Geschenk des Sabbats richteten, das Gott für die Menschen aller Zeiten vorgesehen hat.
Paulus erklärte, dass, nachdem Christus durch seinen Tod die Forderung des Gesetzes erfüllt hatte, das mosaische Gesetz nicht mehr gültig wäre. Aber Gnade muss vom Gesetz unterschieden werden – von dem Schleier der zeitlich begrenzt geltenden Forderungen der Thora.
So wie wir zwischen der Gnade der Vergebung und Tieropfern unterscheiden, so unterscheiden wir auch zwischen dem Geschenk der Sabbatruhe und den anfangs mit ihr verbundenen gesetzlichen Vorgaben.
Unter dem neuen Bund bleibt die Vergebung der Sünden bestehen, jedoch fällt das Sündopfer weg; ebenso bleibt die Sabbatruhe als Geschenk an uns, die Erlösten, bestehen, während Tieropfer und mosaische Verbote im Zusammenhang mit dem Sabbat nicht mehr gelten.
Leider haben viele den Sabbattag an sich im Namen Christi abgeschafft und damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Bund unter der Gnade
Manche unterscheiden zwischen dem “Sabbat des Gesetzes” und einem “Sabbat der Gnade”. Das wäre gleichbedeutend damit zu sagen, dass es Sühne des Gesetzes und Sühne der Gnade gäbe. Aber wir wissen, dass Sühne immer nur durch Gnade geschieht und nicht durch das Gesetz möglich ist.
Biblisch betrachtet kann man sagen, dass der Sabbat eine Gnade Gottes ist, die sogar von denen unter dem Gesetz genossen werden konnte, so wie unsere Erlösung nur durch Christus allein möglich ist, aber auch für jene unter dem Gesetz verfügbar ist (Hebr 9,15).
Der Unterschied ist, dass der Sabbat, der unter dem Gesetz eingehalten wird, Opfer und mosaische Vorschriften beinhaltet, die durch das Kreuz aufgehoben wurden (Kol 2,14). Was bleibt, ist die Gnade, die Grundlage unserer Beziehung im Bund mit Gott.
Was hat der Sabbat mit Gnade zu tun? Der Thora nach ist der wöchentliche Sabbat eine doppelte Feier; die der Schöpfung (2.Mo 20,11) und der Erlösung (5.Mo 5,15). In Christus sind wir eine neue Schöpfung (2.Kor 5,17), erlöst von der Knechtschaft der Sünde (Joh 8,34-36; Röm 6,14). Damit wird der Sabbat auf eine höhere, geistliche Ebene gehoben – er ist eine Feier unserer Erlösung, unserer neuen Geburt.
Warum ist es notwendig, Erlösung oder Gnade als ein wöchentliches Ritual zu begehen? Ist ein wöchentlicher Ruhetag nicht überflüssig, da wir in Jesus bereits die verheißene Ruhe empfangen haben?
Die Ruhe in Jesus ist die innere, unzerbrechliche Gelassenheit inmitten der Stürme des Lebens. Obwohl die Einladung an alle gerichtet ist, “die ihr mühselig und beladen seid”, sagt Jesus: “nehmt auf euch mein Joch”, eine jähe Erinnerung an das Fortbestehen der irdischen Mühen; aber: mit seinem leichten Joch “werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen” (Mt 11,28-29).
Dennoch erstreckt sich die Gnade Gottes auch auf unseren gebrechlichen Leib, der durch die Realität von Mühe, Krankheit und Schmerz belastet ist. Und so bestimmte Gott einen Tag in der Woche, an dem wir unsere körperliche Arbeit zum Zwecke der Anbetung und Besinnung zurückstellen dürfen.
Analog der physischen Elemente des Abendmahls, entspringt der wöchentliche Sabbat der Liebe dessen, der unser Bedürfnis nach einer äußerlichen physischen Erfahrung seiner inwendigen geistlichen Gnade versteht.
Erst wenn wir unser fleischliches Gewand ablegen, werden wir die vollkommene verheißene Ruhe empfangen (Offb 14,13); insofern bleibt der wöchentliche Sabbat eine Vorahnung und ein Vorgeschmack dieses gesegneten Zustandes, “solange die Verheißung noch besteht, dass wir in seine Ruhe eingehen” (Hebr 4,1.9.11).
Die Einhaltung des Sabbats ist auch Ausdruck des Bundes, nicht nur für das Volk Israel, sondern für alle Nationen. Hierzu gibt es eine interessante Stelle aus dem Propheten Jesaja:
“So spricht der HERR: Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit; denn mein Heil ist nahe, dass es komme, und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbart werde. Wohl dem Menschen, der dies tut, und dem Menschenkind, das daran festhält, das den Sabbat hält und nicht entheiligt und seine Hand hütet, nichts Arges zu tun! Und der Fremde, der sich dem HERRN zugewandt hat, soll nicht sagen: Der HERR wird mich scheiden von seinem Volk. Und der Verschnittene soll nicht sagen: Siehe, ich bin ein dürrer Baum. Denn so spricht der HERR: Den Verschnittenen, die meine Sabbate halten und erwählen, was mir wohlgefällt, und an meinem Bund festhalten, denen will ich in meinem Hause und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben; das ist besser als Söhne und Töchter. Einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll. Und die Fremden, die sich dem HERRN zugewandt haben, ihm zu dienen und seinen Namen zu lieben, damit sie seine Knechte seien, alle, die den Sabbat halten, dass sie ihn nicht entheiligen, und die an meinem Bund festhalten, die will ich zu meinem heiligen Berge bringen und will sie erfreuen in meinem Bethaus, und ihre Brandopfer und Schlachtopfer sollen mir wohlgefällig sein auf meinem Altar; denn mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker.” (Jes 56,1-7)
Der messianische Unterton dieses Abschnitts ist nicht zu übersehen: “denn mein Heil ist nahe, dass es komme, und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbart werde”, womit der Einzug von Heiden in die Gemeinde des Herrn vorweggenommen wird, bis das Haus Gottes “ein Bethaus […] für alle Völker” werden wird.
Die unmissverständliche Botschaft ist, dass in diesem neuen Bund der Sabbat ein sichtbarer Ausdruck der Bundesbeziehung sein wird: “[…] alle, die den Sabbat halten, dass sie ihn nicht entheiligen, und die an meinem Bund festhalten […]”.
Hier ist der Sabbat nicht “ein Relikt des Alten Testaments”, sondern er ist für das Bundesvolk des Messias, für die neutestamentlichen Gläubigen in Christus, die aus allen Völkern stammen.
Interessant ist auch, dass der Sabbat mit moralischen Erwartungen und nicht mit zeremoniellen Praktiken verbunden ist, wie aus Vers zwei hervorgeht (“das den Sabbat hält und nicht entheiligt und seine Hand hütet, nichts Arges zu tun!”). Während also das Zeremonialgesetz in Christus abgeschafft wird, bleibt der Sabbat als Teil des der 10 Gebote bestehen.
Der Apostel Johannes erhaschte einen Blick auf die endzeitliche Gemeinde, und da war die Bundeslade, die hölzerne Truhe mit den 10 Geboten, einschließlich des Sabbatgebots, geschrieben vom Finger Gottes selbst (Offb 11,19) (Anm.: In der Offenbarung bezieht sich der himmlische Tempel auf die Gemeinde, siehe auch Hebr 12,22-23).
Es ist tröstlich , dass auf der Bundeslade der Gnadenthron ist, der nun mit dem Blut des neuen Bundes besprengt ist (Hebr 12,24). Diesem dürfen wir uns frei nähern und hier können wir in Zeiten der Not Barmherzigkeit empfangen (Hebr 4,16).
Ein Zeichen der Heiligung
Abgesehen davon, dass der Sabbat ein Zeichen einer vertraglichen Beziehung darstellt, ist er auch ein Zeichen der Heiligung.
Der wöchentliche Sabbat wird in Hesekiels Beschreibung der Anbetung während des messianischen Zeitalters erwähnt (Hes 46,1.4.12). Zuvor hatte der Herr ihm gesagt, dass der Sabbat ein Zeichen zwischen Gott und dem Volk sei, welches er geheiligt hat (Hes 20,12.20). Als ein seit der Schöpfung geweihter Tag hat der Sabbat auch eine heiligende Wirkung auf diejenigen, die ihn heilig halten.
Als Christen liegt uns daran, rechtschaffen zu leben, Gutes zu tun und Böses zu meiden. Die Einhaltung des Sabbats schärft unsere Sinne, da wir nicht nur zwischen Gut und Böse, sondern auch zwischen heilig und weltlich unterscheiden müssen.
Den Sabbat heilig zu halten bedeutet, ihn von alltäglicher Arbeit frei zu halten; so planen wir im Voraus unsere Woche und versuchen, unsere alltäglichen Aufgaben in sechs Tagen zu erledigen:
“Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.” (2.Mo 20,8.9)
Auf diese Weise wird der Sabbat geheiligt, einem heiligen Zweck geweiht, ohne dass Pflichten aus Haushalt bzw. Arbeit uns ablenken und die geheiligte Zeit verkürzen. Die Einhaltung der heiligen Ruhe mag einschränkend und belastend erscheinen. Hierin liegt die große Ironie – die Ruhe wird zur Last. Während diejenigen, die unterhalb der Armutsgrenze oder in repressiven Gesellschaften leben, sich nach Ruhe sehnen, sind viele in wohlhabenden Ländern freiwillig Sklaven ihrer Arbeit.
Wenn unsere Arbeit nicht unerlässlich ist, wie beispielsweise im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Transport, ist es eine schlechte Entscheidung, am Sabbat zu arbeiten.
Die meisten von uns brauchen eigentlich nicht mehr als sechs Tage, um einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen. Viele andere Dinge, wie zum Beispiel unsere privaten Bankgeschäfte, können leicht im Internet an Wochentagen erledigt werden.
Wir leben unter der Gnade und nicht unter dem Gesetz und sind daher frei in der Einhaltung des Sabbats. Aber allzu oft sollten wir diese Freiheit nicht missbrauchen. Denn wenn wir den Sabbat verkürzen, dann entweder weil wir uns überfordern, weil wir zu viel wollen oder einfach, weil wir nach unserem eigenen Gutdünken leben wollen.
Es kommt also auf unsere Einstellung an, ob wir Gott genug lieben, um auf seine Art und Weise leben zu wollen. Und ob wir gerne Zeit mit ihm allein verbringen wollen, so wie wir besondere Momente denen widmen, die wir lieben. Wenn das der Fall ist, werden wir Gottes Gebote nicht als lästig empfinden (1.Joh 5,3). Schließlich tut es uns selbst auch gut.
“Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tage und den Sabbat »Lust« nennst und den heiligen Tag des HERRN »Geehrt«; wenn du ihn dadurch ehrst, dass du nicht deine Gänge machst und nicht deine Geschäfte treibst und kein leeres Geschwätz redest, dann wirst du deine Lust haben am HERRN, und ich will dich über die Höhen auf Erden gehen lassen und will dich speisen mit dem Erbe deines Vaters Jakob; denn des HERRN Mund hat’s geredet.” (Jes 58,13-14)
Fazit: Von der Schöpfung bis in Ewigkeit
Der wöchentliche Sabbat wurde in der Schöpfungswoche eingeführt (1.Mo 2,2.3), damit wir unseres Schöpfers (2.Mo 20,8-11) während unserer gesamten zeitlichen Existenz gedenken, bis wir in den Sabbat der ewigen Ruhe eingehen. Dort ruhen wir von unseren Mühen, und unsere Werke folgen uns nach (Offb 14,13). In den Mauern des Hauses unseres Vaters haben wir einen Ort und einen Namen, einen ewigen Namen, der nicht ausgelöscht werden wird (Jes 56,5).